Harald Simons, empirica, erwartet für 2016 steigende Preise bei Eigentumswohnungen – aber mittelfristig Preiskorrekturen zu Lasten des Eigenkapitals. Bild: Feldhaus

Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen – Hamburger Wohnungsmarkt weniger dynamisch

In fast allen Metropolen Deutschlands haben sich die Preise für Eigentumswohnungen 2015 noch dynamischer entwickelt, als in Hamburg. Und in allen Metropolen ist die Wohnungsmiete stärker gestiegen. Das geht aus dem Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen hervor, das im Februar in Berlin vorgestellt wurde.

„Jetzt ist es zu viel“, erklärte Harald Simons, empirica, bei der Immobilienkonferenz Quo vadis in Berlin zur Entwicklung der deutschen Wohnungsmärkte 2015. „Die Kaufpreise sind den Mieten endgültig davon gelaufen“, erläuterte er die frischen Ergebnisse des Frühjahrsgutachtens der Immobilienweisen.

Preise aus Ertragswerten nicht mehr gedeckt

Tatsächlich sind die Preise für Eigentumswohnungen zwischen dem dritten Quartal 2014 und dem dritten Quartal 2015 in Westdeutschland um 7,2% gestiegen und in Ostdeutschland um 6,2%. Viel deutlicher fielen die Preissteigerungen in den Top-7-Metropolen aus. Hier liegt Stuttgart mit 18,8% vor Berlin (14,4%) und München (12,9%).
Hamburg ist mit einem Anstieg von 9,4% Vorletzter im letztjährigen Metropolenranking – und das ist nur zu seinem Vorteil, wenn man Simons glauben mag. „Die Preise sind aus den Ertragswerten nicht mehr gedeckt.“ Nicht nur in den Metropolen, sondern in 27% aller deutschen Landkreise sind Eigentumswohnungen nach empirica-Auswertungen inzwischen zu teuer.

Mögliche Wertkorrektur zu Lasten des Eigenkapital

Allerdings: „Die Preisübertreibung ist aber ungefährlich, denn es gibt keinen Anstieg der Fremdkapitalfinanzierung. Das heißt, dass die möglichen Wertverluste zu Lasten des Eigenkapitals gehen. Das ist nicht weiter schlimm“, zeigt sich der in Leipzig agierende Professor wenig emphatisch mit den Investoren.
Eine Blase sei auch aus einem anderen Grund nicht wahrscheinlich. „Der Anstieg des Wohnungsbaus ist gedeckt durch die zusätzliche Nachfrage. Auf 270.000 zusätzliche Haushalte kommen 2015 rund 265.000 fertiggestellte Wohnungen.“ Ähnlich verhält sich die Entwicklung auch in Hamburg. Um rund 15.000 Menschen erhöhte sich die Bevölkerung. Die HSH Hamburg erwartet für 2015 rund 7.500 fertiggestellte Wohnungen. Der durchschnittliche Hamburger Haushalt zählt 1,8 Personen.
Für 2016 erwartet Simons – mit Blick auf die Liquidität und Zinsen – trotzdem einen weiteren Anstieg der Kaufpreise. „Dadurch wird die Fallhöhe noch etwas höher.“ Im Hamburg sieht er 2016 mit 6% den geringsten Preisschub unter den Metropolen.
Im langfristigen Vergleich zwischen 2010 und 2015 liegt Hamburg mit einem Anstieg der Angebotspreise von 53,5% deutlich hinter München (89,1%) und auch hinter Berlin (67,7%) und Stuttgart (61,1%).

Mieten in Hamburg um 1% gestiegen

Der deutschlandweite Mietanstieg dagegen scheint zunächst gebremst und fällt zwischen 2010 und 2015 ohnehin deutlich geringer aus. Nüchtern bilanziert Simons die Mietentwicklung der letzten Jahre. „Bei den Neuvertragsmieten haben wir im vergangenen Jahr im Bundesdurchschnitt das Niveau von 2004 erreicht.“
Zwischen dem je dritten Quartal 2014 und 2015 werden für Westdeutschland zwar noch Mietsteigerungen von 3,7% und für Ostdeutschland von 1,2% notiert, doch die fanden nach empirica-Daten bis Ende 2014 statt. „Seit Jahresbeginn 2015 lassen sich in Westdeutschland insgesamt keine nennenswerten Mietsteigerungen mehr beobachten und in Ostdeutschland sind die Angebotsmieten sogar etwas rückläufig.“
Die Hamburger Angebotsmieten erhöhten sich zwischen 2010 und 2015 lediglich um 8,3% – klar weniger, als in Berlin (32,1%) oder München (29,7%).
Im Top-7-Vergleich verzeichnet Hamburg 2015 mit 1% Mietsteigerung den geringsten Zuwachs – nachdem auch 2014 die Angebotsmieten nur um 1,1% geklettert waren. In München (7,4%), Stuttgart (6,8%) und Berlin (4,4%) zeigte das Mietenbarometer deutlicher nach oben.
2016 allerdings erwartet Simons in Hamburg ein Mietwachstum von 3% – ebenfalls der niedrigste Wert unter den Top 7. Hier liegt Stuttgart mit 10% vor München (9%).

Auswirkungen der Flüchtlingswelle geringer als erwartet

Mit klaren Worten geißelt der Wohnungsmarktexperte die aus seiner Perspektive panischen Reaktionen auf den Flüchtlingsstrom. „Deutschland ist ein Hühnerhaufen. In Teilen von Deutschland, die von Abwanderung betroffen sind, planen die Kommunen wieder Baugebiete. Kommunen schließen Mietverträge über 10 Jahre für Gewerbehallen ab, um hier Flüchtlinge unter zu bringen. Dabei sind die Auswirkungen der Flüchtlingswelle geringer, als erwartet.“
So würden nach Erfahrungen etwa des jugoslawischen Bürgerkriegs Anfang bis Mitte der 1990er Jahre nur etwa 35% bis 40% der Flüchtlinge in Deutschland bleiben. Ein ganz wichtiger Hinweis zur Versachlichung der Debatte und zur Planung für die Kommunen sei die Tatsache, dass 60% der Flüchtlinge Familien seien. „Unsere künftigen Eckensteher, vor denen alle Angst haben – die alleinstehenden, jungen Männer (bis 30 Jahre) – machen nur 21% aus.“ Für die in der Öffentlichkeit und auch von Politikern, wie Olaf Scholz, gehandelten Anteile dieser Gruppe von 70% habe er keinerlei Belege finden können.

Flüchtlinge in leerstehenden Wohnungen unterbringen

Simons empfiehlt, die Flüchtlinge in den 1,6 Mio. bundesweit leerstehenden Wohnungen unterzubringen. „Wir können die Zuwanderung rechnerisch im Bestand unterbringen. Eigentlich brauchen wir kaum zusätzliche Wohnungen. Wir müssen nur verteilen.“
Dem Argument, es sei für die Integration nicht zielführend, die Flüchtlinge in leerstehendem Wohnraum in Abwanderungsgebieten unter zu bringen, da es dort keine Jobs gebe, hält er die Ergebnisse seiner neuen Studie entgegen, die noch im März veröffentlicht wird. „Es gibt in Abwanderungsgegenden sogar die höchsten Raten an offenen Jobs. Im Rahmen des Konjunkturbooms sind auch dort zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, doch kaum einer ist wieder dorthin gezogen.“ Daher favorisiert Simons auch die Umsetzung des Wohnortzuweisungsgesetzes.

Nur 73.000 Wohnungen bundesweit extra für Flüchtlinge

Den Zusatzbedarf durch Flüchtlinge beziffert er auf 73.000 Wohnungen extra – zusätzlich zu den 286.000 Wohnungen, die 2016 voraussichtlich fertiggestellt werden. „Das ist doch kein Problem. Allein seit 2010 haben wir die Zahl der fertiggestellten Wohnungen nahezu verdoppelt.“ Dass mittelfristig weiterhin jährlich 1 Mio. Flüchtlinge kommen, hält er mit Blick auf die anlaufenden Aktivitäten der Politik für „undenkbar“.

Die Angebotsmieten sind am Hamburger Wohnungsmarkt seit 2010 deutlich langsamer gestiegen, als die Angebotspreise. Bild: Feldhaus

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