Vom Bundesverfassungsgericht wurde im April 2018 die Reform der Grundsteuer verordnet. Das von Finanzminister Olaf Scholz favorisierte Ertragswertverfahren mit einer Orientierung an der Kaltmiete erfährt jedoch einigen Gegenwind. Regelrechte Empörung löst die Forderung aus Reihen der SPD aus, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer abzuschaffen. Ein ZIA-Gutachten stellt in Frage, ob das Ertragswertmodell verfassungsgemäß ist. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister Hamburgs, votiert für ein Flächenmodell mit lageabhängiger Wertzonierung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2018 die Berechnung der Grundsteuer auf Basis von jahrzehntealten Einheitswerten untersagt und eine Reform verordnet. Bundesfinanzminister Olaf Scholz findet mit seinem Ertragswertverfahren jedoch weder bei den Bundesländern noch in der Großen Koalition einen Konsens. Im Wesentlichen orientiert sich die Grundsteuer danach an der Nettokaltmiete. Weitere Faktoren sind die Restnutzungsdauer des Gebäudes sowie der Bodenwert. Alle sieben Jahre soll eine Fortschreibung dieser Messzahlen vorgenommen werden. Tatsächlich hatte Scholz selbst als Erster Bürgermeister Hamburgs das Flächenmodell favorisiert. Danach wird die Grundsteuer nur über die Fläche des Grundstücks und des Gebäudes berechnet. Eine Immobilie in schlechter Lage wird damit genauso hoch besteuert, wie ein Grundstück im Villenviertel. Auch der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte noch im Oktober 2018 gegenüber dem NDR: „Wir finden es plausibel, dass die Grundsteuer im Kern eine Steuer ist, die daran orientiert ist, inwieweit kommunale Leistungen in Anspruch genommen werden. Das ist von der Frage der Situierung des Grundstücks oder des Grundstückseigentümers eigentlich unabhängig.“ Auch die Immobilienwirtschaft steht hinter dem Flächenmodell.
„Bürokratischer Albtraum“
Scholz hatte versprochen, die Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten. Zuletzt lenkte sie 14 Mrd. Euro in die kommunalen Kassen. Um diese Aufkommensneutralität zu erreichen, will der Finanzminister die bundesweit gültige Steuermesszahl senken. Der strapazierte Finanzminister argumentierte mit der höheren Gerechtigkeit dieses Ansatzes, der zudem relativ leicht umzusetzen sei. Genau das wird von den Kritikern bezweifelt – organisatorisch, rechtlich und politisch. Für 42 Mio. Wohnungen in Deutschland müsste die Miete ermittelt werden, illustriert BFW-Präsident Andreas Ibel, den nach seiner Ansicht „bürokratischen Wahnsinn“. Das Bundesverfassungsgericht habe hingegen „einfache Bewertungsregeln“ für die Reform verlangt.
Ist das wertabhängige Mietmodell grundgesetzkonform?
Ein vom Immobilienverband ZIA bei Gregor Kirchhof in Auftrag gegebenes Gutachten stellt zudem in Frage, ob das wertabhängige Mietmodell grundgesetzkonform ist. Der Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht der juristischen Falkultät an der Universität Augsburg sieht vor allem den Gleichheitsgrundsatz verletzt. „Mietunterschiede in einem Mehrparteienhaus, die aufgrund der Dauer des Mietverhältnisses, eines Verhandlungsgeschicks des Mieters oder eine Nähe zum Vermieter bestehen, rechtfertigen keine Unterschiede in der Grundsteuer“, heißt es in dem Gutachten. Zudem unterscheide sich die Grundsteuer nicht mehr ausreichend von der Einkommenssteuer, wenn die Miete als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.
Abschaffung der Umlagefähigkeit entspricht ebenfalls nicht dem Grundgesetz
Kirchhof bewertete auch die Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Miete. Um die Befürchtung steigender Mieten durch Umlage der in großen Städten ansteigenden Grundsteuer zu kontern, hatten die Fraktionsspitzen der SPD von Bund und Ländern Mitte Dezember beschlossen, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer abschaffen wollen. Der Jurist aus Augsburg sieht dadurch die Grenzen der Eigentümerfreiheit sowie der Vertragsfreiheit zwischen Vermieter und Mieter tangiert. „Eingriffe in die zahlreichen bestehenden Mietverhältnisse sind angesichts der ausgeübten Eigentümer- und Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.“
Fehlanreize für Wohnungspolitik
Ibel erläutert zudem die Fehlanreize für die Wohnungspolitik, die durch ein wertabhängiges Mietmodell provoziert würden. „Das Scholz-Modell belohnt Kommunen, die den notwendigen Wohnungsneubau verhindern und damit indirekt für steigende Mieten sorgen. Durch die Anknüpfung an die Mietpreise kassieren diese Kommunen höhere Grundsteuereinnahmen.“ In Schrumpfungsregionen mit stark sinkenden Mieten hingegen würden die Grundsteuereinnahmen und damit auch die Finanzierungsquelle für die Daseinsvorsorge einbrechen. Peter Tschentscher, Nachfolger von Scholz im Amt des Ersten Bürgermeisters, hingegen votiert für eine Kompromisslösung. „Wir haben schon bei früheren Diskussionen für ein Flächenmodell votiert“, so Tschentscher beim Neujahrsempfang des ZIA Nord Ende Januar. „Aber es gibt ein Problem mit der Gerechtigkeit. Stärkere Schultern müssen steuerlich mehr leisten. Und es passt nicht, wenn die es auf die Mieten umlegen. Zugunsten der Gerechtigkeit ergänzen wir das Flächenmodell um eine lageabhängige Wertkomponente – ähnlich, wie es Schleswig-Holstein vorsieht.“ Schleswig-Holstein hatte die Idee eines Flächenmodells unter Einbeziehung von Bodenwertzonen in die Diskussion gebracht. Das nächste Treffen der Länderfinanzminister – Grundsteuer ist Ländersachse – folgt am 1. Februar.
Olaf Scholz genießt mit dem Ertragswertmodell auch in Hamburg wenig Zustimmung.
Als Erster Bürgermeister hatte er das Flächenwertmodell favorisiert.