Dorothee Stapelfeldt kommentiert die von Henri Alkis Otto, HWWI, (M.) mitverfasste Studie zum Wohnungsmarkt in der Metropolregion. Links Marco Lohmann, VNW. Foto: Feldhaus

Metropolregion Hamburg: Koordinierung der Wohnungsentwicklung sinnvoll – Wohnraum auch im Bestand erschließen

Hamburg wächst seit 2012 jährlich um etwa 15.000 Einwohner. Zur Unterbringung – auch der Flüchtlinge – werden künftig wieder grüne Wiesen mit Großsiedlungen bebaut. Der Stadtstaat stößt an seine Grenzen. Die Wohnungswirtschaft drängt auf eine bessere Abstimmung der Siedlungsentwicklung innerhalb der Metropolregion. Doch auch im Bestand schlummern erhebliche Potenziale.

Zur Regionalkonferenz der Metropolregion im Hamburger Rathaus stellte das Hamburgische WeltwirtschaftsInstitut (HWWI) die „Studie 2015: Wohnungsmärkte in der Metropolregion Hamburg“ vor. Die Zahlen zur Entwicklung der Bevölkerungsentwicklung sowie der Wohnungsmärkte in der Vergangenheit – seit 2000 – und der Zukunft – bis 2030 – lösten bei den 400 Teilnehmern wenig Überraschung aus.
Alkis Henri Otto, Mitautor der Studie vom HWWI, sprach von „einer tiefgreifenden demografischen Veränderung, mit gerade an der Peripherie sehr unterschiedlicher Betroffenheit“. Insgesamt wird die Zahl kleiner Haushalte zunehmen, während die der Familienhaushalte abnimmt.

Ludwigslust schrumpft, Lüneburg wächst

Doch dieser demografische Prozess verläuft sehr verschieden. Während Hamburg etwa zur Zuwanderung in den letzten Jahren auch noch einen Geburtenüberschuss verzeichnet, notieren einige Kommunen im Landkreis Nordwestmecklenburg Bevölkerungsverluste von über 30% zwischen 2000 und 2012. Kreise im Norden und Osten Hamburgs – Segeberg, Stormarn, Lauenburg und Lüneburg – wiederum profitieren von einer zwischen 5% und 7,2% gewachsenen Einwohnerschaft.
Für diese Kreise wie auch Hamburg sind aktuell Preisentwicklung, Flächenverfügbarkeit und Schaffung günstigen Wohnraums brennende Themen, während in peripheren Kommunen Politik und Wohnungswirtschaft um neue Einwohner werben und nach Konzepten suchen, wie die Modernisierung der Bestände angesichts der niedrigen Mieten refinanziert werden kann.

Stärker kooperieren!

Eine stärkere Kooperation bei der Wohnungsentwicklung legen die Autoren Hamburg und den umliegenden, wachsenden Kreisen und Kommunen nahe und kritisieren – zwischen den Zeilen („Zielkonflikte“) – das weiter verbreitete Kirchturmdenken bei der Wohnungsbaupolitik .
Marco Lohmann, Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), regt an, „dass man sich in der Metropolregion auf Konzepte wie den Drittelmix von Eigentumswohnungen, frei finanzierten Mietwohnungen und Sozialwohnungen einigt“. Auch Konzeptausschreibungen, interkommunale Wohngebiete sowie eine Harmonisierung der vier in der Metropolregion geltenden Landesbauordnungen hält Lohmann für zielführend.

Mehr Geschosswohnungen an S-Bahn-Strecken

Nachdem der Erste Bürgermeister Olaf Scholz in seiner Begrüßungsansprache für mehr Partnerschaft zwischen den aktuell 17 Landkreisen, zwei kreisfreien Städten und Hamburg gesprochen hatte, zeigte sich Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt aus Erfahrung skeptisch. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals möglich gewesen ist, sich grenzüberschreitend auf Wohnungsbauprogramme zu verständigen.“
Sie wünscht sich von den Umlandgemeinden eine Zusage, „dass an den S-Bahnstrecken mehrgeschossiger Wohnungsbau stattfindet. Wenn wir mehr Wohnungsbau im Umland haben, brauchen wir mehr Mobilität über den ÖPNV.“ Elmshorn etwa hat den Bau von 900 Mietwohnungen auf den Weg gebracht, erzählte Bürgermeister Volker Hatje – und möchte nun auch wieder Einfamilienhäuser bauen.

Hamburger Know-how fürs Umland

Leider sei es meist umgekehrt, kritisiert Robert Koschitzki, von der hannoverschen nbank, der Förderbank des Landes Niedersachsen. „Die meisten niedersächsischen Kommunen haben kaum Bauland für Geschosswohnungsbau ausgewiesen. 93% der Flächen sind für Einfamilienhäuser vorgesehen, obwohl künftig zahlreiche kleine Wohnungen benötigt werden.“
Zwar sind in der Metropolregion vereinzelt bereits große Hamburger Projektentwickler aktiv, wie etwa Frank Lorenz oder Quantum Immobilien in Lüneburg, doch Claudia Dappen, die für das Büro BPW baumgart + partner den Landkreis Stormarn zur Anpassung des Wohnungsbau an den demografischen Wandel berät, plädiert für ein Engagement etwa der Hamburger Genossenschaften jenseits der Stadtgrenzen. „Es gibt so ein Wahnsinns-Know-how in Hamburg, das man in den Umlandgemeinden nutzen sollte.“

Kleine Haushalte in großen Wohnungen

Autor Otto sieht zudem viel ungenutzten Wohnraum im Bestand. Es gebe ein „Mismatch kleiner Haushalte in viel zu großen Häusern“. Einerseits suchten viele junge Familien ausreichend Wohnfläche auch im Bestand, doch viele Ältere täten sich schwer, ihre Häuser zu verlassen. Das sei einerseits dem vertrauten sozialen Umfeld geschuldet, so Otto, andererseits aber oft auch eine Frage des organisatorischen und finanziellen Aufwands. „Hier wären organisatorische Hilfen seitens der Kommune zielführend.“
Diese Unterstützung sollte um das Angebot kleiner Wohnungen ergänzt werden, die etwa kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften im Quartier errichten – auch im geförderten Wohnungsbau.

Kurze Wege zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Otto regte außerdem Kommunen und Immobilienwirtschaft an, auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinzuwirken. Dabei seien zwei Trends zu berücksichtigen:

  1. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen werde weiter steigen.
  2. Der familiäre Pflegeaufwand der in die Jahre kommenden Babyboomer-Generation werde zunehmen.

Um das knappe Zeitbudget nicht durch lange Fahrzeiten zu belasten, sieht Otto verschiedene Optionen:

  1. Wohnangebote für integriertes Wohnen von Senioren und Familien
  2. Ausweisung von Mischgebieten für ein Nebeneinander von Wohn- und Arbeitsstätte
  3. Entwicklung von Büroarbeitszentren Hamburger Unternehmen (auch gemeinschaftlich nutzbar) in der Metropolregion, um den ökonomischen, ökologischen und zeitlichen Mobilitätsaufwand zu reduzieren.

Preisplus von über 0,6% jährlich in Hamburg bis 2030

Solche Ansätze könnten den Siedlungsdruck auf Hamburg mildern und die demografische Erosion etwa im Landkreis Ludwiglust-Parchim mildern, wo der Zuzug von Familien mit Kindern unter zehn Jahren finanziell gefördert wird, wie Reinhard Mach, Bürgermeister der Stadt Ludwigslust, betonte.
Das könnte auch die von Otto für den Kreis in Mecklenburg-Vorpommern prognostizierte Preisentwicklung von 0% bis -0,13% jährlich zwischen 2015 bis 2030 ändern. Hamburg liegt mit einer erwarteten Preisentwicklung von 0,6% bis 0,73% jährlich bis 2030 in der Metropolregion vorn. Preiszuwächse von 0,4% bis 0,6% werden etwa Pinneberg, Lauenburg oder Lüneburg erwartet.

Ähnliche/Empfohlene Artikel

Wohnungseigentum in Zeiten des Virus

Unsere Gesellschaft erlebt gerade Verwerfungen, wie wir sie seit dem zweiten Weltkrieg nicht erlebt haben. Sicherlich gab es immer mal „Krisen“,  z.B. den Deutschen Herbst