Wie kommt Hamburg zu mehr bezahlbaren Wohnungen? Das ist eine der Gretchenfragen der Parteien im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im Februar 2020. Eine zentrale Frage dabei ist, welches Maß an staatlicher Regulation die Situation tatsächlich verbessert. Da liegen FDP und Linke weit auseinander.
Bei einer Veranstaltung des ZIA Nord und des Wirtschaftsrats der Union diskutieren die baupolitisch Verantwortlichen der Parteien mit Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) Fragen der Stadtentwicklung. Im Fokus steht die Frage nach bezahlbarem Wohnraum.
„In Hamburg ist die Welt noch in Ordnung“
„Hamburg ist mit dem Bündnis für das Wohnen bundesweit Vorbild und hat weiterhin die Strahlkraft, eine Stadt für sichere Investitionen zu sein“, erklärt Björn Jesse, Landesfachkommission Immobilienwirtschaft des Wirtschaftsrat Nord, zur Begrüßung – kritisiert jedoch auch fehlende Masterpläne und Visionen sowie die mangelnde Transparenz von Planungen.
Klaus-Peter Hesse, Sprecher der Geschäftsführung des ZIA, betont den Unterschied im Umgang von Politik und Immobilienwirtschaft zwischen Berlin und Hamburg. „Die Politik reagiert in Berlin mit Enteignung, Mietendeckel, Gewerbemietenbremse oder einem Umlageverbot der Grundsteuer. In Hamburg ist die Welt noch in Ordnung“, schiebt der Christdemokrat mit leichtem Sarkasmus nach.
Hamburg fordert Absenkung der Kappungsgrenze
Denn auch der rot-grüne Hamburger Senat verfolgt eine Agenda, in der staatliche Eingriffe – jenseits der allseits begrüßten Wohnungsbauförderung – eine zunehmende Rolle spielen. So hatte der Senat im September eine Bundesratsinitiative zur Reform des Mietrechts beschlossen. Sie beinhaltet eine Absenkung der Kappungsgrenze für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt, mit der die Mieten nur noch um 10% innerhalb von drei Jahren erhöht werden könnten. Zudem soll die Durchsetzung der Mietpreisbremse durch die Abschaffung der Rügepflicht verbessert werden. So könnten Mieter künftig zu viel gezahlte Miete einfacher zurück erhalten.
Und so beeilt sich Dressel zu unterstreichen: „Ich möchte keine Politik, wie im Land Berlin. Wir wollen auch in der nächsten Legislaturperiode ein Bündnis für das Wohnen. Ein feindliches Verhältnis mit der Immobilienbranche wird keine wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen.“
SPD-Bundestagsfraktion fordert Absenkung der Modernisierungspauschale auf 4%
Diese Ansage beinhaltet auch gleichzeitig eine gewisse Distanzierung von den weitgehenden Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion von Ende September. Sie folgen der Hamburger Forderung nach Senkung der Kappungsgrenze auf 10%, zudem geht es um die Ausweitung der Mietpreisbremse auf ganz Deutschland, die Absenkung der Modernisierungspauschale auf 4% oder eine Wertsteigerungsabgabe für bebaubare Grundstücke.
Dressel: „Die Beschlüsse greifen einige Hamburger Punkte auf. Auch wir wollen die Kappungsgrenze anpassen und setzen prioritär auf Erbpacht – das ist gut. Dort, wo sie über das hinausgehen, wird es schwierig – denn es ist in der Wohnungs- und Immobilienpolitik aktuell ein schmaler Grat zwischen gut gemeint und gut gemacht. Wir müssen deshalb bei diesen Maßnahmen immer auch den Konsens zwischen den Beteiligten, zwischen Mieter- und Vermieterseite suchen.“
„Rotgrün wird von den Linken getrieben“
Jörg Hamann, Sprecher für Stadtentwicklung der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, nimmt diese Steilvorlage gerne auf. „Rotgrün wird von den Linken getrieben. Zuerst werden deren Vorschläge abgelehnt, um dann später als eigene Ideen beschlossen zu werden. So wird es auch mit dem Mietendeckel gehen.“ Die Hamburger CDU lehne Erbbaurecht ab, Bindungen für öffentlich geförderte Wohnungen von 30 Jahren, Vorkaufsrecht und natürlich Mietendeckel. „Die Verbände sollen sich mal gerade machen gegen die Linkspolitik des Senats“, fordert der baupolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion mehr Rückgrat von den Immobilienverbänden im Bündnis für das Wohnen.
Hamann unterstützt jedoch die von Olaf Duge, Sprecher für Stadtentwicklung der grünen Bürgerschaftsfraktion, vorgeschlagene Entlastung von Vermietern, die auf eine Ausschöpfung der Mieterhöhungsmöglichkeiten verzichten. Duge: „Auch wer bereit ist, sozial gebundenen Wohnraum zur Verfügung stellen, soll steuerlich entlastet werden.“
Grüne wollen Vorkaufsrecht durch Mieter-GmbHs
Von den grünen Forderungen, die zwei Tage nach der Diskussion im Regierungsprogramm der Grünen verkündet werden, schweigt Duge an diesem Abend. Dazu gehören die grundsätzliche Grundstücksvergabe im Erbbaurecht, konsequente Nutzung der Vorkaufsrechte, mehr Wohnungen in städtischem Besitz – auch durch Gründung einer zweiten kommunalen Wohnungsgesellschaft –, 50% geförderter Wohnungsbau in stark nachgefragten Vierteln, Vorkaufsrecht durch Mieter auf Genossenschaften und Mieter-GmbHs ausweiten, weniger Abriss, Ausbau des ÖPNV durch eine Stadtbahn, höhere Verdichtung an den Magistralen und Schaffung urbaner Zentren in den Außenbezirken.
Etwas spitzzüngig weist Heike Sudmann, Sprecherin für Wohnen und Stadtentwicklung der linken Bürgerschaftsfraktion, darauf hin, dass sich die größten Verdichtungspotenziale auf den großzügig bebauten Villengrundstücken im Hamburger Westen finden ließen. Zudem möchte sie die „leistungslosen Gewinne“ aus der Wertsteigerung von Grundstücken teilweise abschöpfen.
Heike Sudmann will Stadtquartier statt Messegelände
Zwar sei auch sie für den Erhalt von „grauer Energie“ die im Bestand gebunden ist – und erinnert daran, dass sie sich gemeinsam mit Hamann und Jens P. Meyer von der FDP für den Erhalt des City-Hofs am Klosterwall eingesetzt habe – , aber die Messehallen würde sie gerne abreißen, um auf dem 17 ha großen Areal inmitten der City ein gut erschlossenes, urbanes Quartier zu entwickeln. „Die Infrastruktur ist da und muss nicht mit immensen Kosten erstellt werden, wie auf dem Grasbrook oder in Oberbillwerder.“
Freidemokrat Meyer, Sprecher für Stadtentwicklung seiner Fraktion, ist für die Entwicklung von Oberbillwerder. „Mit der Not-in-my-backyard-Mentalität kommen wir nicht weiter.“ Grundsätzlich müsse alles dafür getan werden, um das Wohnungsangebot zu erhöhen – und alles unterlassen werden, was Investitionen hemmen könnte. Meyer will insbesondere die Eigentumsbildung für kleine und mittlere Einkommen fördern. Zudem: „Die Magistralen zu entwickeln, ist ein gutes Konzept.“
Bauen auf Altlastenflächen
Auch Dressel will die Stadt entlang der S- und U-Bahn-Achsen entwickeln. „Im weiteren müssen wir jetzt das Altlastenkataster angehen, für eine ökologische und ökonomische Stadtreparatur.“ Aktuell seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – etwa der Finanzierung – dafür so gut wie nie. „Aber grundsätzlich wollen wir bei allen Investitionen und Anforderungen den Kaltmietenrechner mitlaufen lassen.“
Meyer wie auch Hamann mahnen einen Mentalitätswechsel in den Genehmigungsbehörden der Bezirke an. „Es muss eine serviceorientierte, positive Haltung gegenüber den Bauanträgen geben. Aber das Gegenteil ist der Fall“, so Meyer. Hamann will sich dafür einsetzen, dass es für jeden Bezirk einen Wohnungsbaukoordinator gibt, wie es der Staatsrat der Stadtentwicklungsbehörde, Matthias Kock, für ganz Hamburg ist. Hamann: „Der hat sich auf Ebene der Stadt bei schwierigen Wohnungsprojekten bewährt.“