Nl Dez16 Steuerrecht

Steuerrecht: Geschäftsveräußerung im Ganzen bei teilweiser Fortführung der Verpachtung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil vom 6. Juli 2016 entschieden, dass bei teilweiser Verpachtungsfortführung durch den Erwerber bezüglich dieses Grundstücksteils eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) vorliegt, selbst wenn das Grundstück durch den Verkäufer vollständig vermietet wurde.

Im Streitfall hatte die Klägerin das Erdgeschoss eines Geschäftshauses ab dem Jahr 2000 an ihren Ehemann und das Obergeschoss an verschiedene Unternehmen vermietet. Die Klägerin verzichtete für sämtliche Vermietungsumsätze auf die Umsatzsteuerbefreiung und machte den vollen Vorsteuerabzug geltend. Im Jahr 2007 veräußerte die Klägerin das Geschäftshaus an einen Erwerber, der die Mietverhältnisse betreffend des Obergeschosses fortführte und das Mietverhältnis gegenüber dem Ehemann der Klägerin für das Erdgeschoss zwecks Selbstnutzung kündigte. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nahm die Klägerin im Jahr der Veräußerung aufgrund der Annahme einer GiG nicht vor. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aufgrund der Einstufung des Finanzamtes, dass keine (nicht steuerbare) GiG vorliege, ab. Im Zuge der Revision der Klägerin gegenüber dem BFH wurde das Urteil des FG aufgehoben.
Eine nicht steuerbare GiG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein gesondert geführter Betrieb im Ganzen an einen anderen Unternehmer übertragen wird und der Erwerber das übertragene Unternehmen oder den übertragenen Betrieb tatsächlich fortführt. Werden die Voraussetzungen erfüllt, bedarf es keiner Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Grundsätzlich ist der Vorsteuerabzug zu korrigieren, wenn sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug entscheidenden Verhältnisse ändern.
Der BFH vertrat ebenso wie das FG die Auffassung, dass die Veräußerung eines Geschäftshauses zu einer Änderung der Verhältnisse führe. Hinsichtlich des Erdgeschosses seien die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nicht erfüllt, da der Erwerber das Mietverhältnis mit dem Ehemann der Klägerin nicht fortführe. Abweichend von dem Urteil des FG stellte der BFH jedoch fest, dass hinsichtlich des Obergeschosses des Geschäftshauses keine geänderten Verhältnisse vorliegen. Die im Obergeschoss vermieteten Räume seien als selbstständiger Unternehmensteil (sog. Teilvermögen) zu behandeln. Erfolge eine teilweise Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks, sei die zivilrechtliche Selbstständigkeit eines Wirtschaftsgutes keine zwingende Voraussetzung für die Qualifizierung als Teilvermögen. Für die vermieteten Teilflächen, die einen eigenen Teilbetrieb darstellen, trete der Erwerber für den verbleibenden Berichtigungszeitraum an die Stelle des Veräußerers.
Mangels der Feststellungen des FG hinsichtlich des Umfangs der Mietverträge des Obergeschosses sowie der Gesamtfläche des Gebäudes hat der BFH nicht über die Höhe der Vorsteuerberichtigung entschieden und den Streitfall diesbezüglich an das FG zurückverwiesen.

von Jens Scharfenberg, Möhrle Happ Luther

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