Im Wohngebiet Vogelkamp in Neugraben wurde jetzt der Grundstein für ein Modellbauvorhaben gelegt, mit dem frei finanzierte Mietwohnungen entstehen, die fünf Jahre lang für 8 Euro/m2 vermietet werden – rentierlich für den Vermieter. Das Experiment wagt als Investor die Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft. „Wir sind ein wirklich langfristiger Investor“, erklärte Burkhard Griese, Finanzvorstand bei der Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft, bei der Grundsteinlegung für zwei Mehrfamilienhäuser mit 44 Wohnungen für vier- bis sechsköpfige Familien. Diese Wohnungen, darunter sechs barrierefreie, sind so geplant, dass sie frei finanziert eine rentierliche Miete von 8 Euro/m2 ermöglichen. Griese hofft auf eine Nettoanfangsrendite von 4%.
Mut zum Experiment
„Hamburg soll auch für Haushalte mit durchschnittlichem und mittleren Einkommen bezahlbar sein“, erläutert Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt eine Zielstellung des Modellprojektes. Jörg Penner, Baudezernent des Bezirks Harburg, betont ein Interesse an der Entlastung der öffentlichen Finanzen. „Hamburg kann den Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht allein mit gefördertem Wohnungsbau lösen. Entscheidend ist der Mut zum Experiment. Und ich bin mir sicher, es wird erfolgreich sein.“ Das erwartet auch Peter Lewalter. Er ist Assetmanager für die Helvetia in Deutschland sowie Geschäftsführer der Projektgesellschaft. „1.000 Euro Warmmiete für eine Familienwohnung ist ein Meilenstein.“ Er verweist auf die Schweizer Muttergesellschat, die dort ein Immobilienvermögen von 8 Mrd. Bis 10 Mrd. Schweizer Franken hält. Auch in der Schweiz wird nach Konzepten für preisgünstigeren Wohnungsbau gesucht.
Vorgefertigte Holzbaumodule
Die Helvetia hat sich für ein Holzbaukonzept der Limbrock Tubbesing Architekten und Stadtplaner aus Hamburg begeistert und damit die europaweite Ausschreibung für das Projekt gewonnen. „Mit diesem Projekt wird bewiesen: kostenreduziertes Bauen ist möglich ohne Minderung der Bau- und Wohnqualität“, sagt Architekt Heiner Limbrock. „Das heißt: liebgewonnene Gepflogenheiten müssen überdacht, hinterfragt und neu interpretiert werden.“ Limbrock entwarf einen Typus ohne Keller mit massiv gemauertem Erdgeschoss samt massiver Decke, das einen dreigeschossigen Aufbau aus Brettschichtholz trägt. Zwar ist Holz über 10% teurer als andere Baustoffe, doch „es lässt sich vorfertigen, schnell auf der Baustelle montieren, ist gesund, hat dünne Wände und ist damit gut für den Investorenkoeffizienten: Bruttogrundfläche geteilt durch Nutzfläche.“
Sparen bei „weichen Kosten“
Bettina Husemann, die als Bauherrenvertreterin agiert, und das Projekt mit Limbrock gemeinsam der Helvetia vorgeschlagen hatte, sieht erhebliches Sparpotenzial bei den „weichen Kosten. Man braucht nicht viele Menschen. Wir haben bei Gutachtern und Beratern reduziert – auch etwa auf einen Fotografen bei der Grundsteinlegung verzichtet oder eine Visualisierung des Projekts: Hier ein Tausender, da ein Tausender.“ Kostensparend sei auch eine hohe Verbindlichkeit bei Baukonferenzen. „Es ist ein Unterschied, ob du zehnmal zusammenkommst oder nur zweimal – und dann wird tatsächlich getan, was besprochen wurde.“
Weitere Projekte
Mit dem Projekt in Neugraben wurde auch ein Projekt am Bramfelder Dorfgraben ausgeschrieben und vergeben. Hier errichtet Karl Danger Grundstücksverwaltung im Joint Venture mit der Baugenossenschaft Wohnungsverein Hamburg von 1902 gut 150 Wohnungen. Darüber hinaus möchte Stapelfeldt weitere Projekte zu veränderten Rahmenbedingungen anschieben. Die Bindungsfrist für die 8-Euro-Miete soll auf 15 Jahre verlängert werden, aber Förderungen – wie von der KfW – zugelassen werden, die bei den Pilotprojekten nicht erlaubt waren. Eine Anhebung des 8-Euro-Niveaus sei nicht angedacht, heißt es aus der Stadtentwicklungsbehörde. Die hält jedoch VNW-Direktor Andreas Breitner mit Verweis auf kostentreibende energetische Maßnahmen sowie kaum verfügbare und damit immer teure Bauunternehmen für nötig. „Eine Nettokaltanfangsmiete muss daher – realistisch betrachtet – zwischen 9 und 10 Euro/m2 liegen.“