Die Mietpreisbremse deckelt zwar die Miete – aber nicht für die Zielgruppe der Geringverdiener. Das ist der Tenor aus der Wohnungswirtschaft zum ersten Jahrestag der Einführung der Mietpreisbremse in Hamburg. Beobachtet wird ebenfalls, dass Wohnungen bei Mieterwechsel entweder grundlegend modernisiert oder unsaniert an die Neumieter übergeben werden.
Zum 1. Juli 2015 wurde in Hamburg die Mietpreisbremse eingeführt – in allen Stadtteilen. Bis zum 1. Juli 2020 darf bei Neuverträgen die Miete nicht mehr, als 10% über dem jeweils gültigen Wert des Hamburger Mietenspiegels liegen.
Noch vier Jahre Mietpreisbremse
Das Gutachten über die Berechtigung der Mietpreisbremse in den einzelnen Stadtteilen, das Senat und Immobilienverbände zuvor vereinbart hatten, wird es nicht geben. Der rotgrüne Senat scheut die Gefahr eines politischen Gesichtsverlustes und bestand daher für die Studie auf einem Kriterienkatalog mit vorgezeichnetem, politisch opportunem Ergebnis. So liegen also noch mindestens vier Jahre Mietpreisbremse in ganz Hamburg vor Wohnungswirtschaft und Mietern.
Mit Blick zurück auf die letzten zwölf Monate resümiert Dr. Class Kießling, geschäftsführender Gesellschafter bei Wentzel Dr.: „Die Mietpreisbremse funktioniert an vielen Stellen.“ Seitdem werde in den von Wentzel Dr. verwalteten Beständen oft die Vormiete an die neuen Mieter weitergegeben, da sie häufig bereits über der Mietenspiegelmiete liege. „In einem solchen Fall wäre es ohnehin nicht zu dramatischen Steigerungen gekommen“, betont Dr. Kießling.
Mietpreisbremse bremst bei lange bewohnten Wohnungen besonders
Anders sieht es aus bei Wohnungen, die zuvor lange bewohnt waren und deren Mieten zum Auszug häufig deutlich unter dem Wert des jeweiligen Mietenspiegels liegen. „Hier wirkt der Deckel stärker. Aus diesem Segment kommen nun häufig deutlich günstigere Wohnungen auf den Markt.“
Dr. Kießling beschreibt das bis zur Mietpreisbremse übliche Vorgehen. „Wir haben uns angeschaut, ob wir etwa nach 15 Jahren investieren – eine neue Küche oder ein neuer Fußboden.“ Solche Investitionen seien üblich gewesen – auch, um die neue, deutlich höhere Miete zu rechtfertigen.
Entweder ganz oder gar nichts
„Heute wird entweder modernisiert, so dass die Neuvermietungsmiete – wie bei Neubauwohnungen – nicht unter die Mietpreisbremse fällt“, so Dr. Kießling zu den Konsequenzen der neuen Rahmenbedingungen. „Oder es wird gar nichts gemacht. Wohnungen, die günstig weitervermietet werden müssen, werden nicht angefasst, Sanierungsmaßnahmen verschoben und Erhaltungsmaßnahmen vertagt – oder auf die Mieter abgeschoben: weniger Miete, mehr Eigenleistung.“
Durch die Mietpreisbremse trete auch das Problem eines wenig differenzierten Mietenspiegels klarer zutage. „Bei einer einfachen Wohnlage in Eppendorf habe ich heute eine weit über den Wert des Mietenspiegels hinausgehende Marktmiete. Der Mietenspiegel differenziert nach Wohnlagen, nicht nach Marktlagen.“

Geringverdiener profitieren nachrangig
Ziel der Mietpreisbremse ist, dass Wohnungen für Geringverdiener bezahlbar bleiben. So soll die soziale Mischung auch in begehrten Stadtteilen erhalten bleiben. Aber das ist aus der Perspektive von Dr. Kießling eine Illusion. „Wenn es mehrere Bewerber für eine Wohnung gibt, schaut der Vermieter in der Regel auf die Liquidität der Interessenten. Der Vermieter hat ja keinen sozialen Auftrag.“ Eine soziale Durchmischung zu erhalten, funktioniere nicht. Fazit: „Die Mietpreisbremse deckelt die Miete, wird aber nicht sozialpolitisch wirksam.“
Trotzdem oder gerade deshalb gebe es kaum Beschwerden zu Verstößen gegen die Mietpreisbremse. „Denn die Leute, die die Wohnungen bekommen, können diese Mieten bezahlen.“
Verschärfung ist sinnlos
Am Grundfehler der Mietpreisbremse ändere sich auch nichts, wenn die Rahmenbedingungen verschärft würden, wie jetzt von Bundesjustizminister Heiko Maas und dem Land Berlin vorgeschlagen. Drei Themen stehen hier im Fokus:
- Eigentümer müssen bei einer Vermietung bisher die Höhe der Vormiete nicht ungefragt angeben, obwohl davon die zulässige Miethöhe abhängt.
- Sie müssen überhöhte Mieten nicht von Beginn an zurückzahlen, sondern erst vom Moment einer Reklamation.
- Zudem sind für Eigentümer, die sich nicht an das Gesetz halten, keine Strafen vorgesehen.
Nun fordert Berlin in einer Bundesratsinitiative, die Neumieter über den bisherigen Mietvertrag zu informieren. Auch sollen die Neuvertragsmieten der letzten sechs Jahre in die Berechnung des Mietenspiegels eingehen. Bisher waren es vier Jahre. Um die rasche Aufstockung der Mieten bis zur Vergleichsmiete des Mietenspiegels zu verlangsamen, soll die bisher innerhalb von drei Jahren mögliche Mieterhöhung um 20% – bei angespannten Wohnungsmärkten 15% – nun erst nach vier Jahren möglich sein. Und für säumige Vermieter soll es Bußgelder geben.
„An der sozialpolitischen Wirksamkeit werden diese Verschärfungen nichts ändern“, kritisiert Dr. Kießling die Ignoranz gegenüber den Geburtsfehlern der Mietpreisbremse. „Jedenfalls solange nicht, wie der Vermieter das Recht hat, sich seine Mieter selbst auszusuchen.“