Peter Tschentscher verteidigt eine Grundsteuer mit Wertkomponente, will aber die Umlage der Steuer auf die Miete beibehalten. Das Grundsteuervolumen in Hamburg liegt bei 450 Mio. Euro jährlich. Zur verstärkten Vergabe städtischer Flächen im Erbbaurecht kündigt er wirtschaftliche Lösungen an, die nicht teurer sind, als klassische Finanzierungen.
„Mit einer durchschnittlichen Miete von 8,50 Euro/m2 liegt Hamburg deutlich hinter München oder Frankfurt“, stellt Peter Tschentscher, Nachfolger von Olaf Scholz auf dem Posten des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, beim Wohnungswirtschaftlichen Frühstück des VNW im Fontenay zunächst einmal klar, und verweist auf die Situation in anderen europäischen Hauptstädten. „Wer in London nur einen durchschnittlich bezahlten Job hat, muss zwei Stunden Fahrzeit rausziehen. Diesen Verdrängungseffekt wollen wir in Hamburg verhindern. Die starke Bautätigkeit hilft uns, das Gleichgewicht herzustellen.“
Unterdurchschnittliche Mietsteigerung in Hamburg
Wie oft in den letzten Wochen zitiert Tschentscher die Zahlen des Instituts empirica, nach denen in Hamburg die Neuvermietungsmieten 2018 nur um 1,3% gestiegen sind – deutlich weniger, als Durchschnitt der Top-7-Metropolen (4,2%) und erheblich weniger, als etwa in Berlin (6,4%). Dazu tragen nach Tschentschers Meinung auch die 260.000 Wohnungen von Saga und Genossenschaften mit einer Durchschnittsmiete von 6,50 Euro/m2 bei – das entspricht der Eingangsmiete von Sozialwohnungen im 1. Förderweg.
Dass es demnach in Hamburg hinsichtlich der Mietentwicklung besser läuft, als in anderen Metropolen, macht es dem Mediziner nicht einfacher, Hamburgs Position hinsichtlich der adressierten Themen Erbbaurecht und Grundsteuer plausibel zu machen.
„Wir dürfen als Stadt Grund und Boden nicht beliebig veräußern“, verweist der Erste Bürgermeister auf eine offensichtlich in den letzten Jahrzehnten wenig beachtete Vorgabe in der Landesverfassung. „Behält die Stadt die Fläche in Besitz, kann sie in 75 oder 100 Jahren neu entscheiden, wie die Fläche genutzt werden kann.“
Tschentscher schlägt Underrent-Modell vor
Der Erbbauzins – 2017 von 5% auf 2,1% gesenkt – werde am aktuellen Bodenrichtwert berechnet. „Deshalb müssen wir antizipieren, welche Mieterwartung in der Immobilie steckt und gegebenenfalls ein Underrent-Modell berechnen, das günstige Mieten ermöglicht.“ Tschentscher erzählt von einem Modell im gewerblichen Bereich. „Einem Unternehmen, das für seine Gewerbeimmobilie mit einer Nutzungszeit von 25 Jahren kalkuliert, haben wir ein 25jähriges Erbbaurecht angeboten – zu ähnlichen Konditionen, wie eine herkömmliche Finanzierung.“
Doch die Wohnungsunternehmer widersprechen dem Bürgermeister. 2,1% seien deutlich teurer, als aktuelle Darlehen. Zudem zeigten sich die Banken bei der Finanzierung von Immobilien zurückhaltend, die möglicherweise nur noch wenige Jahrzehnte im Besitz des Kreditnehmers seien.
„Finanzbehörde geht es um fiskalische Interessen“
„Aktuell müssen wir mit der Finanzbehörde über die Verlängerung verhandeln – und ich habe den Verdacht, dass es da vor allem um fiskalische Interessen geht und nicht um bezahlbares Wohnen“, erklärt Burkhard Pawils gereizt, Vorstandsvorsitzender der Altonaer Spar- und Bauvereins (altoba).
Tschentscher äußert sich zuversichtlich, „wirtschaftlich tragfähige Lösungen“ zu finden. Zudem gebe es „einen starken Wunsch in der Bevölkerung“. Gerade hat Tschentscher mit der Stadtpräsidentin von Zürich gesprochen, Corine Mauch, wo das Erbbaurecht seit langem praktiziert wird. „Zudem gibt es ja noch andere Grundstücke.“
Dem widerspricht Matthias Herter, Vorsitzender der Geschäftsführung von meravis. „Werden die städtischen Grundstücke nicht mehr verkauft, schrumpft das Flächenangebot weiter und verteuert sich zusätzlich. Auf Sicht werden so weniger Wohnungen gebaut.“
Tschentscher verteidigt Grundsteuer-Kompromiss
Eine ähnliche Konsequenz wird infolge der Grundsteuernovellierung nach dem aktuell diskutierten Modell befürchtet, dass sich zur Zeit in der Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung befindet.
Bei Wohngrundstücken orientiert sich dieser Ansatz an regional pauschalisierten Nettokaltmieten, hergeleitet aus dem Mikrozensus. Auch Gebäude- und Grundstücksart sowie Wohnfläche werden berücksichtigt. Durch eine geringere Steuermesszahl privilegiert werden sollen Sozialwohnungen, kommunale und genossenschaftliche Wohnungen. Die Bodenrichtwerte fließen nach Angaben von Tschentscher nur zu 5% ein, wenn das Areal neu bebaut ist. Dieser Bewertungsanteil steigt auf maximal ein Drittel bei Bestandsimmobilien. Dafür sollen Gutachterausschüsse größere Bodenrichtwertzonen definieren.
Sonderregelungen für Großstädte
Hinsichtlich der Wohnlagen in Großstädten sind Sonderregelungen vorgesehen, die bei Ein- und Zweifamilienhäusern in einer Lage mit einem Bodenrichtwert von über 1.800 Euro/m2 und bei Wohneigentum und Mietwohngrundstücken in einer Lage mit einem Bodenrichtwert von über 3.600 Euro/m2 zur Anwendung kommen sollen.
Konkret wird die Umsetzung im Gesetzentwurf beispielhaft für ein Grundstück in München vorgerechnet. Basis ist die Nettokaltmiete für Bayern von 7,24 Euro/m2. Hinzu kommt der Lagezuschlag für München von 32,5% (2,35 Euro/m2) sowie der Mietniveauzuschlag Großstadt von 10%. Daraus ergibt sich eine grundsteuerrelevante Nettokaltmiete von 10,54 Euro/m2. Die Kommunen haben in der Hand, die Belastung der Eigentümer durch die Senkung der Hebesätze zu korrigieren.
Tschentscher betont den geringeren Einfluss der in Hamburg in den letzten 50 Jahren teilweise um das 20- bis 40fache gestiegenen Bodenrichtwerte. Da das Grundsteuerpotenzial in die Berechnung des Länderfinanzausgleichs einfließt, hätte das 2016 von einer Mehrheit der Bundesländer favorisierte, primär auf den Bodenrichtwerten basierte Grundsteuermodell, Hamburg finanziell stark geschwächt und zudem die Mieter durch die Umlage stark belastet. „Das hätte uns und die Mieter umgeworfen. Das tut das aktuelle Modell nicht, weil die enormen Bodenrichtwertsteigerungen nicht mehr so wirksam werden.“
Hamburgs Regierungschef hält die Idee, die Gestaltung der Grundsteuer den einzelnen Bundesländern zu überlassen, für „wenig immobilienwirtschaftsfreundlich“. Doch abgesehen von Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, gibt es aus den Unionsparteien die Forderung nach einer Öffnungsklausel im Grundsteuer-Gesetz, die es einzelnen Bundesländern ermöglicht, die Grundsteuer nach dem Flächenmodell zu erheben.
Hamburg gegen Verbot der Grundsteuerumlage auf die Miete
Tschentscher stellt sich gegen den SPD-Vorschlag, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer abzuschaffen. „Hamburg hat sich dieser Idee nicht angeschlossen. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Der Eigentümer wird seine Kosten immer umlegen – und andere Wege finden.“
Tschentscher mahnt, die Grundsteuer nicht als Vermögenssteuer misszuverstehen und zeigt sich optimistisch, „dass wir bis Jahresende eine Einigung hinkriegen werden“. Sollte es bis Ende 2019 keinen Grundsteuerkompromiss geben, fällt die Grundsteuer ab 2020 weg – immerhin zuletzt 14,8 Mrd. Euro jährlich.
Infrastrukturabgabe statt Grundsteuer
Doch der Erste Bürgermeister hat schon einen Plan B in der Tasche. „Wenn die Grundsteuer entfällt, könnte man eine Infrastrukturabgabe erheben – als Ausgleich an die Kommune, die die Infrastruktur zur Verfügung stellt.“ Daran hat Hamburg durchaus Interesse, denn das Grundsteueraufkommen liegt hier nach Tschentschers Worten bei 450 Mio. Euro.
Angesichts des Gegenwindes – vor allem von der CSU, aber auch seitens der Immobilienverbände – hat Finanzminister Olaf Scholz seinen Gesetzentwurf zur Grundsteuer Mitte April zurückgezogen, um ihn hinsichtlich seiner Kompatibilität mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Nun soll er Mitte Mai im Kabinett vorgelegt werden.
Grundsteuer C ist am Start
In einem gesonderten Gesetzentwurf hat Scholz zudem die Grundsteuer C auf den Weg gebracht. Mit der in den 1960er Jahren abgeschafften Grundsteuer C sollen baureife, aber unbebaute Grundstücke höher besteuert werden, um für die Eigentümer den Anreiz zur Bebauung des Grundstücks zu erhöhen. Die Entscheidung über die Einführung sowie die Höhe des Hebesatzes soll jedoch bei den Kommunen liegen.