Beim Blick auf die Entwicklung der Angebotsmieten im ersten Halbjahr 2020 ist keine Auswirkung der Corona-Pandemie erkennbar. Grundsätzlich hat es Hamburg mit der Wohnungsoffensive seit 2011 verstanden, die Zahl der fertiggestellten Wohnungen auf ein Niveau zu bringen, das inzwischen über dem des Zuzugs liegt. 2020 wird der Zuzug nach Hamburg weiter zurückgehen, weil in vielen Unternehmen Neueinstellungen auf Eis gelegt sind und die Universitäten viele Seminare ins Internet verlegt haben.
Die vom Berliner Institut empirica erfassten Angebotsmieten weisen für den Hamburger Mietwohnungsmarkt auch für das erste und zweite Quartal 2020 aufwärts. Von Ende 2019 bis zum Ende des ersten Quartals stieg die Miete für den Bestand von 10,73 Euro/m2 auf 10,94 Euro/m2 und für Neubauwohnungen von 12,69 Euro/m2 auf 12,85 Euro/m2. Bis zum Ende des zweiten Quartals gab es eine weitere Steigerung auf 11,22 Euro/m2 bzw. 13,04 Euro/m2.
Mietenanstieg unter der Inflationsrate
Bis auf Berlin, wo die Angebotsmieten im Bestand durch den Mietendeckel sinken, ist das zum Teil noch deutlichere Plus bei den Angebotsmieten auch in anderen deutschen Metropolen zu verzeichnen. Mit Blick auf eine von BFW Nord, Grundeigentümerverband, IVD Nord und VNW beim Center for Real Estate Studies (CRES) beauftragte Studie auf Basis von 260.000 Hamburger Mietwohnungen oder mit Blick auf den im November 2019 vorgestellten Mietenspiegel wird deutlich, dass die Dynamik der Mietentwicklung an Alster, Bille und Elbe deutlich nachgelassen hat.
So weist die CRES-Studie für frei finanzierte Mietwohnungen einen Durchschnitt von 8,21 Euro/m2 aus, der Mietenspiegel von 8,44 Euro/m2. Damit stieg der Mittelwert des Mietenspiegels 2017 bis 2019 um 2,6% – weniger, als die Verbraucherpreise mit 3,3%.
Bauüberhang auf Rekordniveau
Zur Entschleunigung des Mietenanstiegs hat die seit 2011 vom Bündnis für das Wohnen umgesetzte Wohnungsoffensive beigetragen. Im Mai 2020 erfolgte die 100.000. Wohnungsbaugenehmigung. Allerdings ist die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 1.081 auf 4.614 gesunken. Doch hier kann auch das für eine große Zahl an städtisch Beschäftigten verordnete homeoffice eine Rolle spielen, das insbesondere im März und April zu deutlich unterdurchschnittlichen Genehmigungszahlen führte. Fertiggestellt wurden zwischen 2011 und 2019 insgesamt 65.545 Wohneinheiten. Im vergangenen Jahr waren es 9.805 – der zweitbeste Wert nach 2018.
Den Höchstwert seit 2011 erreichte der Bauüberhang – die Wohnungen, die genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt worden sind. Dieser Wert stieg von 8.033 Wohneinheiten im Jahr 2011 auf 26.325 im vergangenen Jahr. Das nähert sich – gemessen am Jahr 2019 – dem Fertigstellungsniveau von drei Jahren.
Weniger Zuzug an Alster und Elbe
Deutlich verlangsamt hat sich der 2019 der Zuzug nach Hamburg. Am Ende des Jahres waren es 6.074 Menschen mehr, als zu Jahresbeginn. 2018 gab es noch einen Nettozuzug von 10.595 Einwohnern, in den Jahren davor sogar um jährlich rund 20.000. So wurden im vergangenen Jahr deutlich mehr Wohnungen fertiggestellt, als Menschen zuzogen. Auch das trägt zur Entspannung der Mieten und zum Abbau des nach wie vor bestehenden Nachfrageüberhangs bei Mietwohnungen bei.
Diese Nachfrage gibt es insbesondere im preiswerten Segment. Immerhin 38% der 2019 fertiggestellten Wohnungen wurden öffentlich gefördert. Umgerechnet auf 100.000 Einwohner liegt Hamburg im vergangenen Jahr mit 192 bewilligten Sozialwohnungen mit weitem Abstand an der Spitze der Bundesländer.
Weniger Studierende und Jobeinsteiger ziehen nach Hamburg
Der Zuzug nach Hamburg dürfte sich 2020 noch einmal verringern, da im Wintersemester 2020/2021 an den Hochschulen und Universitäten keine konventionellen Präsenzveranstaltungen stattfinden, sondern hybride Seminare und Vorlesungen mit hohem Online-Anteil. Viele Erstsemester entscheiden sich gegen einen teuren Umzug nach Hamburg und warten die weitere Entwicklung in der elterlichen Wohnung ab. Auch fortgeschrittene Semester unterbrechen ihre Präsenz in Hamburg, um Miete zu sparen.
Bereits jetzt ist absehbar, dass WG-Wohnungen und Einzimmerapartments bzw. möblierte Mikroapartments weniger nachgefragt sind. Das liegt auch an dem in vielen Unternehmen wirksamen Einstellungsstopp, der gilt, bis absehbar ist, welche wirtschaftlichen Konsequenzen die Corona-Krise für die Firma hat.