Kinder sind die Zukunft einer jeden Gesellschaft. Das war schon immer so, und das wird sich auch im Zeitalter von Computern und künstlicher Intelligenz nicht ändern. So wie schon unsere Urahnen in grauer Vorzeit von Gicht geplagt vor dem Lagerfeuer sitzen durften, während die Jugend den Säbelzahntiger erlegt, so brauchen auch wir „Kinder“. – von RA Dr. Patrick Kühnmund, Dr. Hantke & Partner
Dass das manchmal, insbesondere in den städtischen Ballungsräumen zu Konflikten führen kann, ist unbestritten. Denn eine Horde Kinder kann ganz schöne Unruhe, insbesondere Lärm verbreiten. Und letztlich werden diese „Horden“ immer mehr, denn immer weniger Kinder werden zuhause betreut, sondern besuchen Kindertagesstätten. Das waren im März 2019 in Hamburg immerhin rund 49.000 Kinder zwischen 3 und 5 Jahren. Der Lärm, der in solchen Kindertagesstätten entsteht, kann manchmal so erheblich sein, dass man darin eine schädliche Immission sehen könnte. Dem hat der Gesetzgeber vorgebeugt und in § 22 Abs. 1a BImSchG geregelt, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung seien. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen, so die Regelungen im Gesetz, dürften Immissionsgrenz- und ‑richtwerte nicht herangezogen werden.
Und diese Regelung hat der Bundesgerichtshof in einer brandaktuellen Entscheidung vom 13.12.2019, die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, im Blick gehabt (Urteil vom 13.12.2019 – V ZR 203/18). Es ging dort um eine Wohnungseigentumsanlage in München, wie sie aber auch hier in Hamburg „an allen Ecken“ steht: Ein mehrgeschossiges Haus, die Einheiten im 1. OG und darüber in der Teilungserklärung als Wohnungseigentum deklariert, im Erdgeschoss Teileigentum, das nach der Teilungserklärung als „Laden mit Lager“ genutzt werden darf. Dort betrieb die Beklagte ein Eltern-Kind-Zentrum, in dem verschiedenste Angebot für Kinder und Eltern stattfanden. Geöffnet war das Zentrum montags bis freitags zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr. Vormittags fand ein „Mini-Kindergarten“ für Kinder im Alter zwischen 18 und 36 Monaten statt, montags und freitags des Weiteren der Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ für Eltern. Nachmittags veranstaltet der beklagte Verein ein „offenes Spielzimmer“ für Kinder und Familienangehörige mit Kaffee und Kuchen sowie Spielecke, ferner weitere Kinderkurse (Zeichenkurse, Musikkurse, Zumba Kids). Überwiegend nachmittags fanden sog. offene Spielgruppen in verschiedenen Sprachen für Kinder und Eltern statt. Und auch samstags gab es immer wieder Veranstaltungen.
Die Kläger wohnten im 1. OG direkt über dem „Laden“ und verlangten die Unterlassung der Nutzung dieser Räumlichkeiten als Eltern-Kind-Zentrum. Zu Unrecht, meinte der BGH. Die Nutzung der „Ladenfläche“ als Eltern-Kind-Zentrum sei zulässig. Das Landgericht und das Oberlandesgericht in München hatten das aber noch anders gesehen. Es käme, so der BGH, darauf an, ob die Nutzung für die Kinderbetreuung in dieser Art bei einer typisierenden Betrachtung mehr störe als die Nutzung als Ladenfläche. Allerdings kommt der BGH in einer ersten Prüfung durchaus zu dem Schluss, dass Geräusche, die von einem Eltern-Kind-Zentrum ausgehen, angesichts der dort für gewöhnlich stattfindenden Aktivitäten typischerweise lauter und störender sind als die eines Ladens mit Lager. Dieses Ergebnis korrigiert der BGH aber auf der zweiten Prüfungsstufe: Die Regelung des § 22 Abs. 1a BImSchG ist regelmäßig auch bei der Prüfung zu beachten, ob eine nach der Teilungserklärung ausgeschlossene Nutzung dennoch zulässig ist, weil sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung, und zwar auch dann, wenn die Teilungserklärung vor dem Inkrafttreten von § 22 Abs. 1a BImSchG errichtet wurde. Das hatte der BGH bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 einmal angedeutet, als es um die Nutzung einer Wohnung als Kindertagesstätte ging. Dort musste der BGH dieses aber aus formalen Gründen nicht entscheiden.
Anders könnte es aus Sicht des BGH, soweit in der Pressemeldung erkennbar, aber aussehen, wenn ein Objekt ausschließlich aus Teileigentumseinheiten mit besonderer Prägung bestünde, z.B. einem Ärztehaus. Dort würde die Nutzung als Kindertagesstätte den professionellen Charakter der Anlage beeinträchtigen. Ob und inwieweit die Nutzung einer Wohnung unter dem Gesichtspunkt des § 22 BImSchG zur Kinderbetreuung zulässig wäre, bleibt auch nach dieser Entscheidung weiterhin offen und ist eine Frage des Einzelfalles. In der Entscheidung aus dem Jahre 2012 hatte der BGH vorsichtig angedeutet, dass die Nutzung einer Wohnung durch eine Tagesmutter unter dem Gesichtspunkt von § 22 Abs. 1a BImSchG ggf. zulässig sein könnte; hier müssten die Miteigentümer, die zu einer solchen Nutzung als Gewerbe ggf. ihre Zustimmung erteilen müssten, ebenfalls die Wertungen des BImSchG berücksichtigen.
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