Hamburg wächst, doch die Fläche ist ein nicht vermehrbares Gut. Alle Parteien, die für eine Regierungsverantwortung in Frage kommen, setzen vor allem auf die Nutzung von Flächen im Bestand. Bei der Entwicklung der Innenstadt geht es um die Aufenthaltsqualität und das richtige Maß für die Verkehrswende.
Ein Thema, das mit großer Einmütigkeit von allen Parteien befürwortet wird, ist die Stadtentwicklung entlang der Magistralen. Die breiten, mehrspurigen Ausfallstraßen zählten in den letzten Jahrzehnten eher zu den Stiefkindern der Stadtplanung – wenig attraktiv durch die vom Pkw- und Lkw-Verkehr erzeugten Lärm- und Schadstoffemissionen.
Umnutzung bisheriger Verkehrsflächen
Mit Blick auf die mehr oder weniger von den meisten Parteien anerkannte Notwendigkeit einer Verkehrswende, die stärkere Nutzung emissionsfreier E-Mobilität und – langfristig – eines On-Demand-ÖPNV mit autonom fahrender (Klein-)Busflotte wird über eine sinnvolle (Nach-)Nutzung der riesigen bisher für den fahrenden oder ruhenden Verkehr genutzten Flächen nachgedacht.
Auf Basis der Ergebnisse des Bauforums zu den Magistralen im vergangenen Jahr stellt die SPD in Aussicht, bis zur Mitte der kommenden Legislaturperiode in Abstimmung mit den Bezirken einen Masterplan Magistralen vorzulegen. Die Grünen erwarten rund 100.000 neue Wohnungen entlang der dann wohnlicheren Ausfallstraßen, die CDU – die das Thema früh platziert hatte – sogar 120.000.
Periphere Stadtteilzentren und alte Einkaufszentren revitalisieren
Zur Entwicklung der Magistralen zählt auch die Aufstockung der zahlreichen eingeschossigen Supermärkte, Baumärkte oder gewerblichen Flächen, wie es bei nahezu allen Parteien im Programm steht – in der Regel durch Neubauten. Beim Thema Abriss und Neubau wollen Grüne und Linke mit Verweis auf die im Bestand steckende graue Energie grundsätzlich prüfen. ob ein Umbau ggfs. samt Erweiterung im Rahmen der Ökobilanz nicht zielführender ist. Das dürfte weniger Bau- und Supermärkte betreffen als vielmehr massive Büro- oder Wohngebäude.
Die Beschäftigung mit der Entwicklung der Magistralen lenkt auch den Blick auf die peripheren Stadtteile Hamburgs. Hier will die CDU die Stadtteilzentren revitalisieren und die SPD alte Einkaufszentren – gerade in sozial prekären Stadtteilen, wie Steilshoop, Jenfeld, Osdorfer Born oder Neugraben. Die Grünen setzen zur urbanen Belebung auf Kreativquartiere, wie das Gängeviertel, den Oberhafen in der Hafencity, die Viktoriakaserne in Altona oder die Kulturinsel Bramfeld.
Die SPD plant grundsätzlich, mehrgeschossiges Gewerbe in neuen urbanen Quartieren zu platzieren – unten im Gebäude Produktion oder Logistik, oben Büros, Ateliers oder Labore. Der Neue Huckepackbahnhof an den Elbbrücken soll beispielgebend entwickelt werden.
Grasbrook als Stadterweiterung, Industriestandort oder als Messegelände
Auch bei großen Stadtentwicklungsprojekten herrscht nicht immer Einigkeit. Zur Zukunft des Kleinen Grasbrooks an den Elbbrücken gibt es durchaus unterschiedliche Perspektiven. Während Rotgrün durch die städtische HafenCity Hamburg hier einen neuen gemischtgenutzten Stadtteil mit 3.000 Wohnungen sowie fast 500.000 m2 für Büro, Gewerbe und Forschung auf den Weg bringt, plädiert die CDU dafür, das Areal am Südufer der Norderelbe für Industrieansiedlungen vorzuhalten. Und die Linke möchte auf dem Areal am Moldauhafen/Melniker Ufer das Messegelände neu aufbauen, um den bisherigen Messestandort am citynahen Trendquartier Karoviertel mit 2.500 Wohnungen zu bebauen.
Nicht durchweg willkommen ist auch der neue Stadtteil Oberbillwerder. Die CDU lehnt die mit 7.000 Wohnungen und 5.000 Arbeitsplätzen geplante „Active City“ ab, weil hiermit eine einmalige bäuerliche Kulturlandschaft zerstört werde.
Willy-Brandt-Straße unter die Erde, Innenstadt autoarm
Dagegen stößt die CDU mit ihrer von der Handelskammer übernommenen Idee, die Willy-Brandt-Straße und die Ludwig-Erhard-Straße auf 2,5 km zwischen Deichtorhallen und Millerntor vierspurig unter die Erde zu verlegen, auf Skepsis. Rotgrün hält das Projekt, das 1,1 Mrd. bis 1,7 Mrd. Euro kosten soll, nicht für umsetzbar. Die Befürworter hingegen erwarten einen ähnlichen Effekt der Stadtreparatur zwischen City und Hafencity, wie durch die A7-Deckel in Altona, Schnelsen und Stellingen.
Ähnliche Kontroversen gibt es um das Maß des Autoverkehrs in der Innenstadt. Während eine im Januar gestartete Volksinitiative Unterschriften für eine nahezu vollständig autofreie Innenstadt zwischen Holstenwall, Lombardsbrücke und Deichtorplatz sammelt – Anwohner, Krankenwagen, Taxis und Busse ausgenommen – sind sich alle Parteien, bis auf die Linken, einig, dass es weniger Autos und mehr Raum für Fußgänger, Radfahrer, Plätze und Grün geben soll. Dabei hatte der Vorschlag der Grünen vom August 2019 für eine im Kernbereich autofreie Innenstadt, Durchfahrtsbeschränkungen, Zufahrt nur zu den Parkhäusern für lebhafte Diskussionen gesorgt.
Kurz vor der Wahl waren der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher und Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, beide SPD, mit einem Innenstadtplan an die Öffentlichkeit gegangen. Zugunsten der Fußgänger soll die Aufenthaltsqualität in der City deutlich verbessert werden, indem der fahrende und ruhende Autoverkehr deutlich eingeschränkt wird. So ist am Jungfernstieg kein privater Autoverkehr mehr vorgesehen. Von Plätzen wie dem Burchardplatz im Kontorhausviertel oder dem Hopfenmarkt am Turm der Nikolaikirche sollen die Stellplätze einer urbanen Platzgestaltung weichen. Für Neuer Wall und Große Bleichen ist die freie Pkw-Durchfahrbarkeit passé und am Wochenende sollen sie ganz für den Pkw-Verkehr gesperrt werden.
Der Ausbau des ÖPNV und von Radwegen soll die Erreichbarkeit der City sicherstellen. Die Grünen kritisierten, die SPD habe bei Ihnen abgeschrieben. Linke, FDP und CDU vermissen einen Zeitplan sowie ein Budget.